Nico Polychronidis, 1. Februar 2013

Kategorie: Interviews Veröffentlicht: Samstag, 02. Februar 2013 Geschrieben von Bärbel Schulze

Nico Polychronidis
Guten Tag, Nico! Nachdem du jetzt als Grieche im Continentalcup gestartet bist, ist es für die Skisprungfans bestimmt interessant, etwas mehr über dich zu erfahren.

Erzähle uns doch bitte etwas über deine Herkunft, dein griechischer Nachname verrät da wohl schon Einiges.

Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Mit 12 Jahren bin ich auf das Skiinternat in Oberstdorf gegangen, wo ich die nächsten 8 Jahre verbracht habe.
Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater aus Griechenland (Kavala).
Jedes Jahr verbringe ich viel Zeit in Griechenland. Ich habe zwei Staatsbürgerschaften.

Du bist bisher für den DSV an den Start gegangen. Seit Ende Dezember 2012 sehen wir hinter deinem Namen nun eine griechische Flagge. Das ist eine völlig neue Farbe im Skisprungzirkus. Was hat dich dazu bewogen, für Griechenland zu springen?

Ich hatte eine schöne Zeit im DSV. Sie haben mich gefördert und unterstützt. In den letzten Monaten im deutschen Verband hatte ich jedoch das Gefühl, nicht voran zu kommen und die letzten Entwicklungen stellten mich nicht zufrieden.
Daher habe ich mich zu dem Wechsel entschieden. Der Gedanke war schon immer da. Und die Vorstellung, diesen Sport nach Griechenland zu bringen, freut mich sehr. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, diesen Schritt zu gehen und die Griechen im Skisprung zu vertreten!

Wie hat dein Umfeld eigentlich auf deine neue Nationalität reagiert? Was sagen deine Freunde und Springerkollegen dazu?

Meine griechische Nationalität hatte ich schon immer. Die Reaktionen auf den Wechsel waren durchweg positiv, aber auch überrascht. Meine Springerkollegen in Oberstdorf unterstützen und pushen mich und helfen mir soweit sie können. Auch mein Freundeskreis freut sich über die Neuheit im Skisprungzirkus. Der nächste Wettkampf in Oberstdorf könnte zu einem "Heimspringen" werden, bei all den "Fans" die ich hier habe.

Weißt du von anderen griechischen Springern? Gibt es überhaupt einen Skiverband? Bekommst du Unterstützung irgendwelcher Art?

Andere Skispringer gibt es leider nicht. In diesem Bereich bin ich der erste. Möglich, dass      ich die Griechen für diesen Sport begeistern kann, so dass früher oder später junge Sportler auch in diesem Bereich tätig werden.
Einen Skiverband gibt es. Sie haben auch einige Langläufer und Skifahrer.
In Griechenland sind inzwischen große und moderne Skigebiete vorhanden. Diese Entwicklung und Nachfrage zeigt mir, dass das Interesse am Wintersport in Griechenland vorhanden ist.
Die wirtschaftliche Lage in Griechenland ist bekannt. Daher darf ich nicht viel finanzielle Unterstützung erwarten. Umso mehr Unterstützung erhalte ich durch die Betreuung im Verband. Sie unterstützen mich wo sie können und versuchen, gemeinsam die Ziele zu erreichen.

Wo trainierst du und wie sind deine Trainingsmöglichkeiten?

Ich trainiere nach wie vor in Oberstdorf. Die Trainingsmöglichkeiten hier sind perfekt. Die Skiklubtrainer helfen mir in den Trainingseinheiten und gliedern mich in die Trainingsgruppe ein.

Wie sieht die finanzielle und personelle Situation aus? Hast du einen Trainer und/oder andere Betreuer und wer bezahlt das?

In Oberstdorf habe ich professionelle Trainer. Auf Wettkampfreisen können sie mich leider nicht begleiten. Und da die finanzielle Unterstützung zurzeit nur schlecht möglich ist begleiten mich Kollegen, die früher selbst gesprungen sind. Das ist momentan die einzige und beste Lösung und ich bin dem Betreuer-Trio unglaublich dankbar, dass sie ihre Zeit mit mir verbringen und sich immer für mich einsetzten und unterstützen.

Deine beste Platzierung bisher im COC war ein dritter Rang im März 2009 in Pragelato. Danach lief es nicht mehr so richtig. Hast du andere Prioritäten gesetzt, vielleicht eine Ausbildung?

Jeder Sportler weiß, wie schnell es auf und ab gehen kann im Leistungssport. Ich hatte einfach eine lange Durststrecke. Zudem kam mein Fachabitur, was ich unbedingt schaffen wollte und mich sehr schwer getan habe.
Jetzt mache ich ein Fernstudium an der FH Erding. Die gute persönliche Betreuung erlaubt es, mir auch neben dem Sport ein Standbein aufzubauen.
Wenn das Umfeld stimmt, fällt mir alles leichter, auch das Springen.
Und genau das hat nicht immer so reibungslos funktioniert wie jetzt.

Beinahe zwei Jahre bist du nicht mehr international gestartet. Warst du ganz raus aus dem Geschäft oder hast du weiterhin trainiert?

Der Wechsel hat einige Zeit gedauert und ich musste erstmal selbst wissen was ich neben dem Sport machen will. Ich bin immer wieder gesprungen und hatte meinen Spaß daran. Jedoch hat mir auch oft die Motivation gefehlt. Ich dachte mir, weshalb ich trainieren und mich verbessern soll, wenn ich keine Startberechtigung habe. Seit diesem Winter bin ich wieder voll im Geschehen und der Leistungssport steht bei mir ganz oben.

Beim COC am Sonnabend in Neustadt warst du nach dem ersten Durchgang 20. Zum zweiten Durchgang bist du dann nicht mehr angetreten. Was war geschehen?

Nach dem ersten Durchgang am Samstag hat sich beim Ausfahren meine Bindung geöffnet. Der Ski ist sehr unglücklich in der Bande eingeschlagen und ist abgebrochen. Mein älteres Ersatzpaar lag bei mir im Keller. Meine deutschen Kollegen haben alles versucht, mir einen Ski zu stellen, aber keiner hätte auch nur annähernd gepasst. Somit musste ich leider zuschauen. Das zeigt mir jedoch, dass meine alten Teamkollegen noch hinter mir stehen und mich unterstützen.

Bei welchen Wettkämpfen willst du in dieser Saison noch starten? Was sind deine kurz- und langfristigen Ziele? Sind sogar die Olympischen Spiele ein Thema?

Die nächsten Wettkämpfe werden der Weltcup Willingen und Oberstdorf sein. Danach geht’s zur WM.
Die Teilnahme an Olympischen Spiele wären ein Traum für mich. Die Möglichkeit besteht durchaus.
In meiner ersten Saison für Griechenland will ich im COC und WC vorrangig Erfahrung sammeln und meine Form finden.
Langfristig will ich natürlich eine feste Größe im Skisprung sein. Ich werde hart an mir arbeiten und will mich bis nach oben kämpfen.

 

Vielen Dank für das ausführliche Interview und viel Erfolg!

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